euro communication trifft sich in Karlsruhe

Präsenz ist einfach schöner!

Der Pandemie geschuldet, konnten unsere halbjährlichen Sitzungen in den letzten Jahren leider nur noch virtuell stattfinden. Als europäisches Netzwerk freiberuflicher Konferenzdolmetscher nehmen einige unserer Mitglieder teilweise lange Anreisewege auf sich. Das Riskio, die Sitzung dann kurzfristig doch noch ins Netz verlegen zu müssen, war uns da einfach zu hoch erschienen.

Umso größer war die Freude und die Erleichterung, dass wir uns endlich mal wieder persönlich begegnen, austauschen, fachsimpeln und schlicht und einfach miteinander Zeit verbringen konnten.

Beschäftigt haben wir uns u. a. mit den immer noch hochaktuellen Themen wie dem Einsatz innovativer – auch digitaler – Technologien beim Dolmetschen, RSI (Remote Interpreting bzw. Dolmetschen per Zoom-Konferenz), aber auch mit der Marktlage in unterschiedlichen Ländern, Nachwuchsthemen etc.

Klar, dass dabei auch das Drumherum, sprich der Genuss nicht zu kurz kam.

Und so freuen uns schon jetzt auf unser nächstes Beisammensein im Sommer!

Von Auguren und guten Wünschen im Zeichen des Kranichs

Seit jeher üben Kraniche eine große Faszination aus: Bei ihrem Flug in der energiesparenden V-Formation, im poetischen Tanz oder durch ihre trompetenhaften Schreie über große Entfernungen.

Mit einer Prise Glück kann man den Kranichtanz mit seinen fantasievollen Volten im Herbst oder Frühjahr in ausgewiesenen Schutzgebieten beobachten, zum Beispiel bei Stralsund, oder auf der japanischen Nordinsel Hokkaido, woher die Kraniche unseres Fotos stammen. Obwohl der Rotkronenkranich oder Tancho zuru (タンチョウヅル) als Symbol der Unsterblichkeit gilt, handelt es sich um die zweitseltenste Kranichart der Welt, die mittlerweile aufgrund des Verlusts ihres Lebensraums leider gefährdet ist.

Im Gegensatz zum lauten Fanfarensound der Kraniche heißt es bei Dolmetschern, dass sie umso besser sind, je weniger ihre Anwesenheit auffällt (nicht, dass es unter den Dolmetschern nicht auch ein paar schräge Vögel gibt), und so wollen wir mit diesem Kranichtango im Schnee zu ein paar Betrachtungen aus der Kulturgeschichte dieser eleganten Vögel einladen, die mit Ausnahme der Arktis und Südamerikas auf allen Kontinenten zuhause sind.

In der griechischen Mythologie wird der Kranich gleich mehreren Gottheiten zugeordnet, wir streifen hier jedoch nur Hermes, den Gott der Reisenden, Händler, Hirten, Diebe und Athleten, Schutzgott der Eloquenz und Geschicklichkeit, der Grenzen und der Grenzüberschreitungen. Hermes, der als Götterbote nicht einfach Botschaften überbringt, sondern sie zwangsläufig auch übersetzt, deutet und interpretiert. Der Allrounder Hermes ist der Brückenbauer zum Übersetzen und Dolmetschen, zur Hermetik und Hermeneutik, also der Theorie des Verstehens. Wen wundert’s, dass die altgriechische Bezeichnung für Übersetzer, Dolmetscher und Mittler Hermêneus lautet – ein direkter Bezug zum irrlichternden Götterboten, nach dessen römischem Counterpart Merkur nicht von ungefähr das Quecksilber benannt ist, mercurium.

Von den Flügelschuhen des Hermes zurück zu den Schwingen der Kraniche, die übrigens in vielen Kulturen mit Sprache und Schrift in Verbindung gebracht werden und wurden. So erzählen die keltischen Sagen von Ogma, dem altirischen Gott der Redekunst, der den Kranichflug beobachtete und anschließend die Oghamschrift erfunden haben soll. Diese Schrift wurde vom 5. bis 7. Jahrhundert in Irland und West-Schottland auf den sog. Oghamsteinen verwendet. Mit ihrer zeichenhaften Ästhetik muten diese Schriftzeichen tatsächlich ein wenig wie elegante Kranichbewegungen an.

Zeichenhaft für die Verehrung, die Kraniche traditionell in den Ländern Asiens genießen, stehen die rituellen Kranichtänze, die die eleganten Bewegungen der tanzenden Kraniche nachempfinden. Zum Beispiel im berühmten Rundtempel von Göbekli Tepe in Südost-Anatolien, einer Anlage, die rund 6000 Jahre vor Stonehenge entstanden und seit 2018 UNESCO-Weltkulturerbe ist. Dort sind unter anderem Kraniche mit langen, geraden Beinen dargestellt, welche anatomisch eher Menschenbeine sind. Es wird vermutet, dass sie tatsächlich Menschen im Kranichkostüm darstellen. Kranichtänze sind noch heute von den Frauen der Ainu auf der japanischen Nordinsel Hokkaido bekannt, aus Korea der traditionelle Tanz Dongrae Hakchum, von den zentralafrikanischen Twa und von sibirischen Khanty-Schamanen.

Vom Tanz zurück zur Stimme: Ein anatomisches Detail erklärt das außergewöhnliche Stimmvolumen der Kraniche, denn echte Kraniche besitzen eine bis zu 130 cm lange Luftröhre, deren knöcherne Ringe mit dem Brustbein als Schallkörper verschmolzen sind. So produzieren diese scheuen Vögel ihre trompetenartigen, bis zu 2 Kilometer weit hörbaren Rufe.

Letztendlich hängt die Faszination, die fliegende Kraniche ausüben, sicher auch mit ihrem Ruf als „Vögel des Glücks“ zusammen. In China gelten sie als göttliche Himmelsboten und sind Symbole für Weisheit und Langlebigkeit. In Japan stehen sie unter anderem für Wachsamkeit, Klugheit und das Erhabene in der Natur. Und wer kennt ihn nicht – das gefaltete Glückssymbol – den Origami- Kranich!

Und da Kraniche zu den ersten Zugvögeln gehören, die nach dem Winter in den Norden zurückkehren, gelten sie überdies als Boten des Frühlings, des Lichts und der Wärme, des Neubeginns.

Mit Ludovico Einaudis Komposition The Crane Dance als Hintergrundmusik wünschen wir Ihnen stimmungsvolle Weihnachtsfeiertage und vor allem: AUGURI und einen beflügelnden Neuanfang für 2023!

Autorin: Brigitte Stanglmeier

Ces grues de bonne augure

Publié le 15 décembre 2022 par cmuellerwelt

Les grues nous fascinent depuis la nuit des temps. Par le V de leur vol en formation, qui leur permet de ménager leurs forces, par leur ballet poétique et par leurs cris si particuliers.

L’élégante danse nuptiale des grues peut s’observer à l’automne ou au printemps, que ce soit une réserve naturelle au bord de la mer Baltique, ou encore sur l’île japonaise de Hokkaido, où évolue le couple sur notre photo. La grue à croix rouge japonaise ou Tancho zuru  (タンチョウヅル) a beau être considérée comme un symbole d’immortalité, elle est néanmoins parmi les espèces de grues les plus rares et elle est aujourd’hui menacée de disparition.

Si les grues se font remarquer par leur cri claironnant, les interprètes sont plutôt connus pour leur discrétion : plus ils excellent dans leur travail, moins on remarquera leur présence (ce qui n’exclut pas une certaine qualité d’oiseaux rares…). Profitons donc de ce tango dans la neige pour nous intéresser à l’histoire et à la signification de cet oiseau élégant, présent sur tous les continents sauf en Arctique et en Amérique du Sud.

La mythologie grecque associe la grue à plusieurs dieux, mais nous nous contenterons de mentionner Hermès, dieu des voyageurs, des commerçants, des bergers, des voleurs et des orateurs, dieu de l’éloquence et de la dextérité, de la frontière et de son dépassement. Hermès le messager des dieux qui n’est pas simplement le facteur des messages, mais leur traducteur, leur interprète, leur herméneute.  Il est le maillon qui opère la traduction et l’interprétation, qui nous amène à l’hermétisme et à l’herméneutique, c’est-à-dire à la théorie de l’entendement. Pas étonnant donc qu’en grec ancien, le traducteur-interprète-médiateur s’appelle Hermêneus, terme qui renvoie directement à ce messager vagabond, dont l’équivalent romain n’a pas laissé son nom au mercure par hasard, vif argent multiforme et insaisissable.

Des pieds ailés d’Hermès, revenons aux ailes des grues, que de multiples cultures associent à la langue et à l’écriture. Selon les vieux contes celtiques, Ogma, dieu irlandais de l’éloquence, aurait observé le vol des grues pour inventer l’écriture Ogham, un alphabet utilisé en Irlande et en Ecosse occidentale entre le 5ème et le 7ème siècle, qu’on retrouve sur les fameuses pierres oghamiques, et dont les signes évoquent les mouvements élégants des grues.

Quant aux cris impressionnants, c’est une particularité anatomique qui explique la puissance vocale extraordinaire du volatile : La trachée de la grue peut mesurer jusqu’à 130 cm de longueur, et ses anneaux osseux étant reliés avec le sternum, l’ensemble forme une caisse de résonance volumineuse qui permet à cet oiseau farouche de se faire entendre jusqu’à deux kilomètres alentour.

Surtout, la grue est l’oiseau du bonheur. En Chine, elle est considérée comme un messager du ciel et comme un emblème de sagesse et de longévité. Au Japon, elle symbolise la vigilance, l’intelligence et le sublime dans la nature. Et bien sûr nous connaissons tous la grue en origami, pliée par nos mêmes mains, figure du bonheur, délicat et fragile.

Au printemps, les grues sont parmi les premiers oiseaux migrateurs à retourner dans le nord, et elles en deviennent les messagers de la lumière, de la chaleur et du renouveau.

Laissez-vous inspirer par The Crane Dance de Ludovico Einaudi pour vous envoler en toute la sérénité pendant les fêtes de fin d’année, et pour prendre des ailes pour un 2023 plein d’élan et d’optimisme.

Texte: Brigitte Stanglmeier

Unser ec-Gründungsmitglied, Johanna Roose-Stähle, im wohlverdienten Ruhestand

Rückzug von einer erfolgreichen Dolmetscherkarriere

Zum Jahresende 2020 hat sich unser Gründungsmitglied Johanna Roose-Stähle von ihrem Berufsleben als Dolmetscherin zurückgezogen. Dies nicht zuletzt im Wissen, dass es jenseits der vielen interessanten Einblicke und Abenteuer, die unsere Arbeit so mit sich bringt, auch noch sehr viel Schönes, Spannendes zu entdecken und auszuleben gibt, wofür davor oft schlicht zu wenig Zeit blieb.

Ihr scharfer Verstand und wacher Geist durften sich zunächst am mathematisch-naturwissenschaftlichen Scharnhorst-Gymnasium an Ihrem Geburtsort Hildesheim entfalten. Vielleicht, weil ihr der Horizont dort bald zu eng wurde, bestand sie darauf, in Los Angeles zusätzlich noch das High-School Diploma zu erlangen. Wie so manche ihrer Kollegen erlernte sie ihren Brotberuf am Dolmetscherinstitut in „Germersche“, im pfälzischen Germersheim also, an der Universität Mainz/Germersheim.

Ihre ersten beruflichen Weihen erwarb sie in den siebziger Jahren als frisch-diplomierte Dolmetscherin bei der EU-Kommission in Brüssel. Danach arbeitete sie ausschließlich als freiberufliche Konferenzdolmetscherin und Fachübersetzerin mit Stützpunkt Stuttgart und darf auf eine überaus glanzvolle Karriere zurückblicken:

Als Dolmetscherin der Landesregierung und des Landtags von Baden-Württemberg begleitete sie mehrere Generationen hochrangiger Politiker zu Besuchen oder auf Delegationsreisen ins Ausland − unter anderem nach Südafrika, Indien, USA, Großbritannien und Sri-Lanka – oder zum Beispiel beim Staatsbesuch von Queen Elisabeth II in Deutschland. Zuletzt betreute sie den Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, dessen Bewunderung und Dankbarkeit für Ihre Arbeit in einem schriftlichen Abschiedsgruß Ausdruck fand, wie es wohl nur den wenigsten Kollegen vergönnt sein dürfte. 

Weltunternehmen, wie die Robert-Bosch-GmbH und viel andere große und mittelständische Firmen verließen sich über viele Jahrzehnte auf ihren herausragenden Service.

Vermutlich ist sie aber viel mehr Menschen bekannt, als jenen bewusst sein dürfte: Mit ihrer klaren, stets jugendlich-frischen Stimme bestritt sie nicht nur die ganz großen Fernsehinterviews, z.B.  mit Hillary Clinton bei Sabine Christiansen oder Günther Jauch, mit eisernen Nerven und großer Disziplin. Daneben verschaffte sie zahlreichen weiblichen Gästen, Stars und Sternchen bei beliebten Sport- und Unterhaltungssendungen und Talkshows auf Deutsch Gehör.

Als beratende Dolmetscherin organisierte sie immer wieder Teams mit Kolleginnen und Kollegen von nah und fern für unterschiedlichste Dolmetscheinsätze.

Ihr großes Kommunikationstalent, insbesondere aber ihren geistreichen Witz, ihre Schlagfertigkeit und Unerschrockenheit werden wir sehr vermissen, auch ihre Lust daran, Diskussionen gerne mal gegen den Strich zu bügeln, die eigene, konträre Meinung zu vertreten.

Ich hatte das Glück, sie in den letzten zehn Jahren bei zahlreichen Einsätzen sowie als Mitglied des von ihr und Jürgen Stähle mitbegründeten Netzwerks gleichgesinnter, nach höchsten Niveau in jeder Hinsicht strebenden Dolmetscher mitzuerleben. Dass sie jetzt nicht mehr Mitglied bei euro communication ist erfüllt mich mit Wehmut und Dankbarkeit: Wehmut darüber, dass wir nicht mehr gemeinsam in der Dolmetscherkabine um das treffende Wort ringen, eine im Eiltempo vorgetragene Manuskriptverlesung verfluchen…  und uns abends bei einem gemeinsamen Glas Bier oder Wein über das Leben austauschen. Dankbar bin ich darüber, dass sie auch für mich in so vieler Hinsicht ein wunderbares Vorbild und ist und bleibt, aber vor allem eben eine treue Kollegin und Freundin.

Auch wenn sie – nicht zuletzt pandemiebedingt – die erste Auszeit vom Beruf eher gemütlich im von ihrer Liebe zu England durchdrungenen Ruhestandsidyll (My-Home-is-My-Castle) in Stuttgart verbracht hat, wird ihre Passion für Reisen, Wandern mit Freunden, Theater und Musik (gerne auch einmal ein Popkonzert) sie sicher bald wieder weite Kreise ziehen lassen..

Hierfür wünschen wir ihr alles nur erdenklich Gute und bedanken uns für ihre Weitsicht und ihr großes Engagement für unseren Beruf, die im erfolgreichen Dolmetscher-zusammenschluss euro communication aufs Schönste Niederschlag gefunden hat!

Johanna Roose-Stähle mit dem Ministerpräsidenten BW Günther Oettinger zu Besuch bei Thabo Mbeki, ehem. Präsident Süd-Afrika
Copyright Foto: Christof Sage-Fotojournalist

 

Jahresauftakt euro communication 2021

Halbjährliche Treffen haben bei euro communication Tradition. Coronokrise hin oder her, die Lust am Austausch über berufliche Themen und allerlei Herausforderungen auf dem Dolmetschermarkt lassen wir uns nicht nehmen. Trotz Pandemie war die Hälfte unserer Mitglieder kurzfristig zu Dolmetschereinsätzen bestellt worden, so dass diese kleine  – aber nicht weniger feine – Gruppe diverse gemeinsame Gesprächsfäden weiter knüpfte. Sprachlicher Beifang am Rande: Einige unter uns, die kein Spanisch in ihrer Sprachkombination haben, kamen zum ersten mal mit dem schönen Begriff „Tertulia“ in Berührung, der vor allem im späten 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts Treffen künstlerischer oder intellektueller Art bezeichnete. Man traf sich damals zum Gespräch an öffentlichen Orten wie Bars oder Cafés, wovon wir momentan natürlich nur träumen können! Nichtsdestotrotz haben wir beschlossen, eine eigene Serie von Tertulias zu begründen, auch wenn Kaffeeduft oder Champagnerprickeln bei den vorerst nur virtuell geplanten Zusammenkünften im Kopf hinzuimaginiert werden müssen. Auch ohne realen Absinth freuen wir uns auf viel Inspiration, die hier bestimmt entstehen wird.

euro communication – der rote Faden in Krisenzeiten

Nein, die Wahl eines Motivs für unseren diesjährigen elektronischen Sommergruß ist uns alles andere als leichtgefallen. So gefühlt urplötzlich, wie die Pandemiewelle über uns schwappte, so fundamental und weitreichend sind ihre Auswirkungen für uns alle – da geht im Strudel der Veränderungen gerne mal die Orientierung verloren, stellt sich Verwirrung ein und so manche vermeintlich vielversprechende Lösung entpuppt sich als Irrweg.

Von alters her haben findige Geister Mittel und Wege gefunden, sich aus derlei misslicher Lage zu befreien, und hier kommt dann auch der „Faden“ (aus dem Grußkartenmotiv) ins Spiel: ob als rettender Faden der Ariadne im Labyrinth des blutdürstigen Minotauros oder als Gesprächsfaden, wobei  Dolmetscher als Mittler zwischen anderssprachigen Kulturen vielfach dazu beitragen, dass dieser nicht abreißt.

Als „roter Faden“ hat er eine interessante Geschichte: Eingeflochten in die Taue der königlichen englischen Flotte diente er als Markierung – ein Kniff, der bereits den alten Griechen bekannt war.  Ins Deutsche hielt er durch Goethes Roman „Die Wahlverwandtschaften“ Einzug als Metapher für die Neigung und Anhänglichkeit der Ottilie, die sich wie ein Faden durch ihr Tagebuch zieht, „der alles verbindet und das Ganze bezeichnet“.

Zurück zum eigentlichen Wortursprung: Aus dem griechischen petannýnai und dem lateinischen patere (= ausbreiten, sich erstrecken) wurde das lateinische Längenmaß passum (Klafter, Schritt) und aus diesem wiederum später althochdeutsch fadum, mittelhochdeutsch vadem und englisch fathom – ein nautisches Maß, das bei ausgebreiteten Armen von Fingerspitze zu Fingerspitze reicht. Bei der Marine berechnet man die Tiefe übrigens auch heute noch nach Faden.

Im Englischen nennt man den roten Faden von Gesprächen übrigens meistens einfach nur thread – daher auch die Bezeichnung der Abfolge von Posts in Online-Diskussionen.

In Fernost hat der rote Faden hingegen eine etwas andere Bedeutung. Hier bezeichnet er die schicksalhafte Verbindung zwischen Mann und Frau, was durch einen roten Faden an den Knöcheln beider – in Japan auch am kleinen Finger – symbolisiert wird. Teilweise überlappt die Bedeutung auch mit der westlichen Vorstellung der Seelenverwandtschaft. Pinyin hóng xiàn oder jap. (運命の)赤い糸(unmei no) akai ito entspricht als „roter Faden des Schicksals“ dem englischen The Red Thread of Fate.

Als schlichter Bindfaden, der in der Regel mindestens zwei oder mehr Teile zusammenfügt, zeigt der Faden – ganz gleich in welcher Farbe – vielleicht am deutlichsten, wozu er imstande ist: zum Knüpfen von Beziehungen oder auch zur Festigung des Zusammenhalts.

Das „Heft des Handelns“ – was steht wohl drin?

In den Medien ist immer öfter zu lesen oder zu hören vom „Heft des Handelns“: Man solle es nicht aus der Hand geben oder endlich in dieselbe nehmen, manch einer habe davon nur noch eine Ecke in der Hand, eine Fußballmannschaft habe es in der zweiten Spielhälfte endlich übernommen oder es liege jetzt „beim Staatsanwalt“ – wahrscheinlich, so darf man vermuten, auf einem großen Stapel weiterer unbearbeiteter Fälle …

Erst kürzlich sprach Miriam Meckel, Kommunikationswissenschaftlerin und Herausgeberin der Wirtschaftswoche, in einem TV-Talk vom „Heft des Handelns und des Denkens“, das uns die KI (Künstliche Intelligenz) nicht aus der Hand nehmen dürfe.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend  (BMFFSJ) wirbt gar aktuell auf seiner Website – illustriert mit einer entsprechender Abbildung – für ein „Heft des Handelns“, das Mut machen soll für demokratisches Engagement und in dem „100 große und kleine Ideen“ vorgestellt werden!

Tatsächlich aber steht nichts drin in einem „Heft des Handelns“. Denn der Ausdruck beruht einfach auf einem missverstandenen Gebrauch einer Redewendung, deren eigentliche Bedeutung kaum noch bekannt zu sein scheint.

Das „Heft in der Hand halten“ – so heißt es ursprünglich – bezieht sich keineswegs auf ein Heft aus Papier, in dem irgendwelche Handlungsanweisungen schriftlich festgehalten sind, sondern auf das „Heft“ (d.h. den Griff) eines Messers oder Schwertes.

Wer „das Heft in der Hand“ hält, hat seit jeher die Oberhand (auch das ein Begriff aus dem Schwertkampf), er dominiert und gibt den Ton an.

Auch in der englischen Sprache hat sich diese Bedeutung als „haft“ für den Griff einer Waffe oder auch einen Hammerstiel erhalten.

Das ähnlich klingende „heft“ (verwandt mit dt. „heftig“) hat darüber hinaus ganz passend die Bedeutung von „Gewicht“ und im übertragenen Sinne von Einfluss und Macht („political heft“).

Wer mag, darf Letzteres gern als „Eselsbrücke“ benutzen. Was es übrigens mit dieser Art der Gedächtnisstütze auf sich hat und wie Simultandolmetscher den Begriff in andere Sprachen umsetzen, lesen Sie in Kürze hier in unserem Blog.

euro communication in der Oper

(Foto: Thomas Aurin)

Unterschiedliche Kulturen, Verständnis schaffen über geographische, kulturelle und sprachliche Grenzen hinweg – das gibt es nicht nur bei internationalen Konferenzen oder auf dem politischen Parkett sondern natürlich auch auf den Brettern, die sprichwörtlich die Welt bedeuten. Ob vor oder hinter der Bühne wirken oft Künstler aus aller Welt zusammen, um dem Publikum ein unvergessliches oder zumindest denkwürdiges Erlebnis zu bereiten.

Weihnachtszeit ist Märchenzeit. Auch die Stuttgarter Staatsoper hat sich für die Wintersaison einen Märchenstoff vorgenommen: Hänsel und Gretel von Engelbert Humperdinck, in der Inszenierung des Russen Kirill Serebrennikov, so war es zumindest geplant. Leider sitzt der Regisseur aus durchsichtigen Gründen immer noch in Moskau unter Hausarrest. Die Staatsoper Stuttgart entschied sich dafür, das Märchen als semi-konzertante Aufführung dennoch auf die Bühne zu bringen und dazu den Hänsel-und-Gretel-Film zu zeigen, der noch im Frühjahr vom Regisseur mit einer Besetzung aus Laien- und Profidarstellern in Ruanda gedreht worden war und der Teil der Operninszenierung hätte werden sollen.

Anlässlich eines Workshops zum Thema Märchenoper im Dezember fand auch eine öffentliche Podiumsdiskussion statt, bei der „eine Deutsche Märchenoper in Ruanda“ – so der Titel der Veranstaltung – aus westlicher und afrikanischer Perspektive betrachtet werden sollte. Hierzu waren, neben einer Wissenschaftlerin im Bereich Theaterwissenschaft und einer afrikanisch-stämmigen Journalistin auch eine Filmregisseurin aus Ruanda  eingeladen, die sich dank der Verdolmetschung  entsprechend in die Diskussion einbringen konnte. Angesichts der hoch komplexen Gemengelage verlief das Gespräch einigermaßen kontrovers, inspirierte dabei aber zu intensivem und fruchtbarem Nachdenken über unterschiedlichste Aspekte. Für uns war es eine Ehre, einen kleinen Beitrag zum Gelingen des Gesprächs leisten zu können.

Der Mensch lebt nicht vom Brot allein…

Bild

…heißt es schon in Matthäus 4,4 – eine Bibelstelle, die dank Martin Luther zu einer der beliebtesten Redewendungen im deutschen Sprachraum geworden ist.

Ernährt sich der Mensch, um zu überleben, außer von Brot vielleicht auch von Würmern, wie eine wörtlich-naive Übersetzung von „Diet of Worms“ nahe legen könnte? Geht es hier also um die mancherorts ja durchaus vorhandene Vorliebe für diese eiweißreichen Nährstofflieferanten?

Tatsächlich hat „Diet of Worms“ aber auch so gar nichts mit bestimmten Ernährungsweisen zu tun, und seien sie auch noch so exotisch. Vielmehr hat das englische Wort „diet“ noch eine ganz andere Bedeutung, nämlich die der „Versammlung“, allerdings nur in einem eng begrenzten historischen Zusammenhang. Hauptsächlich wird der Begriff „diet“ als Bezeichnung für die Reichstage des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation verwendet – in unserem Beispiel für den berühmten Reichstag zu Worms. Anknüpfend an diese Tradition wird auch der Deutsche Bundestag mitunter als „Federal Diet“ bezeichnet. Von hier ist der gedankliche Schritt zu üppig bemessenen Abgeordnetendiäten nicht mehr allzu groß, würde man den einen oder anderen Parlamentarier hin und wieder doch lieber mit Würmern abspeisen, als mit sauer verdienten Steuergeldern.

Wie dem auch sei – erbaulicher ist es allemal, sich von diesen sehr irdischen Gedanken himmlischeren Gefilden hinzuwenden: der im Titel zitierte Bibelvers hat noch einen zweiten Satzteil, der da lautet “sondern von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes geht“. Ein voller Bauch allein reicht nicht aus, der Mensch bedarf auch geistiger Nahrung. Womit die herausragende Bedeutung des Wortes – und damit auch von Sprache – für die gedeihliche Entwicklung der Menschen von höchster Instanz unterstrichen wird.

Horse-trading?

Klar handeln die Bauern im Bild nicht mit Pferden, sondern mit Kühen, das haben Sie natürlich längst selbst festgestellt.

Allerdings scheint der englische Begriff horse-trading auf den ersten Blick inhaltlich fast bedeutungsgleich mit dem deutschen Kuhhandel zu sein. Es geht lediglich um Nuancen im Gebrauch. Während dem deutschen Kuhhandel und dem britischen horse-trading eine leichte Anrüchigkeit anhaftet und sie oft als Bezeichnung für ein kleinlich geführtes, übles Tauschgeschäft dienen – bei den Briten vor allem gerne im politischen Kontext -,  wird beim amerikanischen horse trading  mit harten Bandagen und einer gehörigen Portion Schlitzohrigkeit um die Erzielung eines vorteilhaften Abschlusses gefeilscht.

Und wozu das Wörterbuch?

Das Bild zeigt einen Viehmarkt in der rätoromanischen Schweiz. Dazu muss man wissen, dass das Rätoromanische fünf unterschiedliche Idiome kennt, deren Sprecher (heute noch ca. 60.000) sich teilweise nur mit Mühe verstehen können. Ältere Generationen, deren Mutter- oder Hauptsprache das Rätoromanische war, taten oder tun sich oft auch mit dem Deutschen nicht so leicht.

Und wenn man so gar nicht weiterkommt, hilft dann auch mal ein Wörterbuch weiter!

 

Hase und Igel?

Hat sich bei uns das Sinnbild vom Hasen und Igel aus dem Grimm’schen Märchen durchgesetzt, geht im englischsprachigen Ausland der Hase mit der Schildkröte an den Start  –  The Hare and The Tortoise. Nur ist es in der Äsop’schen Fabel eigentlich sogar umgekehrt. Der ewigen Prahlereien des Hasen müde, fordert in der am weitesten verbreiteten Version der Fabel die Schildkröte den Nager zum ungleichen Wettkampf heraus. Die Niederlage ereilt den Hasen dort nicht, wie im Grimm’schen Märchen, durch die List seines Kontrahenten, der seine Ehefrau an seiner statt schlau auf der Ziellinie postiert, sondern aufgrund der eigenen Überheblichkeit und des Vertrauens in die eigene Überlegenheit.

Trotz einiger Unterschiede in der Handlung und der Akteure schildern letztlich beide Fabeln die Überlegenheit von Intelligenz über die körperliche Stärke im Falle der deutschen Mär – Brain over brawn (Muskelkraft), wie es im Englischen so schön heißt – oder in der englischen Fabel auch von Beharrlichkeit über die körperliche Überlegenheit. Und auch hier findet sich im Englischen ein sprechender Begriff: doggedness.

Und wer nun trotz der oben geschilderten moralischen Lehren dennoch auf den Hund kommt, ist selbst schuld.

Apropos: Wir bitten um Verzeihung, dass es sich bei dem im Bild dargestellten Hasen gar nicht um einen solchen handelt, sondern um ein Karnickel.